Nr 6: JMI Hannover und die Jazzwoche 2012

Seit dem „Jazzmusiker-Aufruf“ und der Wiederbelebung der UDJ (Union deutscher Jazzmusiker) im vergangenen Jahr sind Jazzinitiativen und -netzwerke in aller Munde. Das gemeinsame Ziel aller Jazzmusiker muss es sein, die eigene Kunstform nachhaltig zu stärken und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Neben der bundesweit agierenden UDJ gibt es erfreulicherweise immer mehr regionale Initiativen, die den Jazz mit viel Engagement unterstützen. Hier sind beispielsweise das Jazzkollektiv Berlin oder der Künstlerzusammenschluss Klaeng (Köln) zu nennen, die mit großartigen Festivals und ihrem politischen Einsatz in ihren Städten den modernen deutschen Jazz fördern.

In Hannover gibt es bereits seit 1977 die Jazzmusikerinitiative (JMI). Die JMI Hannover ist ein eingetragener Verein, deren Mitglieder jährlich mehr als 200 Konzerte in der Region Hannover spielen, mitgestalten oder organisieren.
Musiker, Musikerzieher, Musikwissenschaftler und freischaffende Künstler - vom leidenschaftlichen Amateur über Leiter von Jugendbigbands bis zum Vollprofi - gehören zu den JMI-Mitgliedern. Ziele des Vereins sind es, den Jazz in der Region Hannover zu fördern und gerade unterrepräsentierten Formen des Genres eine Plattform zu bieten. Ein wichtiges Anliegen der JMI ist darüber hinaus die Vernetzung mit möglichst vielen Kulturpartnern der Stadt - einerseits um die Jazzszene Hannovers näher zusammenzuführen, andererseits um eine breitere Öffentlichkeit für die eigene Kunstform zu erreichen.

Die JMI ist für mehrere Konzertreihen der Stadt aktiv: Unter anderem ist der Verein Träger des Jazzorchesters FETTE HUPE HANNOVER und fördert die Jamsession-Reihe „Linden Jazzsessions“ im Kulturpalast Linden und dem GIG. Weitere Reihen sind z.B. „Café Bizarre“ und „Jazz im GUT“. Die Arbeit in der JMI ist ehrenamtlich und profitiert vom großen Engagement ihrer Mitglieder. Der Verein wird dankenswerterweise unterstützt vom Kulturbüro der Stadt Hannover.

Ein Höhepunkt der jährlichen Arbeit ist ohne Zweifel die Jazzwoche Hannover, die seit über 20 Jahren zum festen Bestandteil der Szene gehört. Jedes Jahr veranstaltet die Jazzmusikerinitiative die Jazzwoche an verschiedenen Orten der Stadt und präsentiert ein vielfältiges Programm mit internationalen Stars, jungen deutschen Jazzmusikern und nicht zuletzt den Aktivkräften der hannoverschen Szene. Dabei kooperiert der Verein regelmäßig mit unterschiedlichsten Veranstaltungsorten, beispielsweise dem Jazz Club Hannover und der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Unter dem Titel „Neues vom Emmichplatz“ präsentiert die Jazzabteilung der HMTMH im Rahmen des Festivals einige ihrer herausragenden Ensembles.

In diesem Jahr findet die Jazzwoche Hannover vom 5. bis 11. November 2012 statt. Das Programm kann sich sehen lassen:

5.11.2012 ab 20:30 Uhr: Vijay Iyer Trio

Der US-Amerikaner gewann neben zahlreichen anderen namhaften Preisen im Juni 2012 den alljährlichen Kritikerpoll der Zeitschrift Down Beat als erster Musiker überhaupt gleich in fünf Kategorien. Unter anderem wurde seine im Frühjahr erschienene CD „Accelerando“ als Album des Jahres, er selbst als Jazzmusiker, Pianist und „Rising Star Composer“ ausgezeichnet. Als New Yorker reflektiert seine Arbeit zeitgenössische wie traditionelle Strömungen, Elemente aus Pop und Funk, aber auch seine indischen Wurzeln. Mit seinem bestens eingespielten Trio gelingt ihm eine pulsierende, energetische Musik - „spannungsgeladen und immer wieder überraschend“ (Die ZEIT). Dass Vijay Iyer die vielfältigen Einflüsse integrieren kann und dabei große Eigenständigkeit beweist, spricht für seine Persönlichkeit als kreativer und innovativer Jazzkünstler.

Vijay Iyer (p), Stephan Crump (b), Tyshawn Sorey (dr)

Jazz Club Hannover, Am Lindener Berge 38 | Eintritt 15€, erm. 10€


6.11.2012 ab 20:30 Uhr: Was tun Pina Bausch und ihre Tänzer in Wuppertal? (Dokumentarfilm, BRD 1982)

Im April und Mai 1982 fand die Entwicklung des Stückes „Walzer“ statt. Klaus Wildenhahn und Wolfgang Jost filmten während der Proben und hatten außerdem ein Auge auf die Umgebung draußen. Beides, Arbeit und Tanz und die Menschen von Wuppertal, haben zunächst nichts miteinander zu tun. Zunächst." 30 Jahre später gilt dieser Film als Klassiker des Tanzfilms, des Dokumentarfilms - ein Stück Lebensphilosophie.

Regie/Expose/Ton - Klaus Wildenhahn; Kamera - Wolfgang Jost; Schnitt - Petra Arciszewski; Unterstützung - Jutta Uhl; Produktion - NDR/WDR

Kino im Sprengel, Klaus-Müller-Kilian-Weg 2 | Eintritt 5€


7.11.2012 ab 19:30 Uhr: Der Rote Bereich

Der Rote Bereich gilt mit ihrer eigenwilligen Musik, anarchistischem Humor, intelligenten Arrangements und originellen Sounds als eine der aufregendsten Acts des neuen deutschen Jazz. Auch die Presse feiert sie als wichtigste Vertreter des deutschen Avantgarde-Jazz. Das Magazin Jazzpodium schrieb: „In ganz Deutschland gibt es kaum eine vergleichbar vielschichtige, erstaunlich simple, erfrischend selbstironische und zu jeder Sekunde interessante Musik.“ Der Gitarrist und Band-Gründer Frank Möbus sagte einst: „Musik hat mit dem Leben zu tun, aber das Leben nicht notwendigerweise mit Musik.“ Ein ebenso intellektuelles wie sinnlichen Jazz-Abenteuer!

Frank Möbus (git), Christian Weidner (sax), Oliver Steidle (dr)

Marlene, Prinzenstraße 10 | Eintritt 15€, erm. 10€


8.11.2012 ab 21 Uhr: Neues vom Emmichplatz - The Flummoxed / Trilith

Die Hochschule für Musik, Theater und Medien und die JMI Hannover präsentieren zwei herausragende Nachwuchsensembles von Studierenden der hannoverschen Jazzabteilung. Anschließend ist Session bis in die späte Nacht.

The Flummoxed

Die Band spielt ausschließlich Eigenkompositionen von Johannes Keller, die den Spielraum zwischen atmosphärischen Soundflächen und eruptiv-energetischen Ausbrüchen, elektroakustischer Ästhetik und klanglichen Experimenten ausloten. Die kompositorische Basis bilden kontrapunktisch gesetzte Melodiemotive und offene Strukturen, die jedem Bandmitglied größtmöglichen improvisatorischen Freiraum schaffen. So kommen vier ganz unterschiedliche Musikerpersönlichkeiten zur Geltung, die sich gerade durch ihre Eigenarten perfekt ergänzen und sich gegenseitig immer wieder anspornen, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue musikalische Wege zu gehen.

Paul Engelmann (as), Nils Mosen (git, FX), Johannes Keller (b, comp), Tobias Decker (dr)

Trilith

Ein Tor aus drei Steinen, mit eigenständiger Statik, unabhängig von anderen Bauelementen. Drei unterschiedliche, gleichberechtigte Instrumentalisten, die im Wechselspiel mal behutsam filigran, mal roh, beinahe gewalttätig agieren und reagieren.

Kammermusikalischer Jazz in klassischer Triobesetzung zwischen explosiver Virtuosität und leiser Melancholie, mystischem Schweben und pulsierenden Grooves.

Michael Hoppe (p), Achim Seifert (eb), Jonas Pirzer (dr)

Kulturpalast Linden, Deisterstraße 24 | Eintritt freiwillig


9.11.2012 ab 20 Uhr: Lutz Krajenski & Ken Norris

Lutz Krajenski zählt unbestritten zu einem der umtriebigsten und erfolgreichsten Jazzmusikern Hannovers. Als Pianist, Organist, Arrangeur und Bandleader arbeitet Lutz Krajenski mit zahlreichen national und international bekannten Künstlern. Zuletzt machte er vor allem durch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Roger Cicero oder Ulrich Tukur auf sich aufmerksam.

Im Rahmen der Jazzwoche 2012 geben sich Lutz Krajenski und der amerikanische Sänger Ken Norris die Ehre und präsentieren ein spannendes Duo-Konzert. Ken Norris ist Professor für Jazzgesang an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und wurde durch seine Rolle im Erfolgsmusical „Der König der Löwen“ bekannt. Er ist außerdem gern gesehener Gast der HR-Bigband und der „NDR Sonntakte“ in Hamburg.

Bechstein Centrum Hannover, Königstraße 50A | Eintritt 10€, erm. 5€


10.11.2012 ab 19:30 Uhr: Peter Ehwalds „Double Trouble“ / Dasch2

Zur Jazzwoche startet eine neue Reihe - Jazz im GUT.

Die Jazzmusikerinitiative Hannover und das Team des GUT e.V schaffen eine neue Spielstätte für frischen Jazz aus Deutschland. An sechs Konzertabenden treffen jeweils ein junges Jazzensemble aus Niedersachsen und eine aktuell angesagte Band aus der bundesweiten Jazzszene im GUT in der Calenberger Neustadt aufeinander.

Zum Auftakt kommt mit dem Jazzensemble Double Trouble des Berliner Saxofonisten Peter Ehwald zusammen mit Robert Landfermann (bass), Andreas Lang (bass), Jonas Burgwinkel (drums) eine hochkarätige Besetzung ins GUT, die kaum wie eine andere für neuen Jazz aus Deutschland steht. Eröffnet wird der Abend vom hannoverschen Avangarde-Jazz-Ensemble Dasch2.

Jazz im GUT wird gefördert vom Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur und dem Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover.

Double Trouble

Kammermusikalischer Indie-Jazz aus Berlin

Ein atemberaubend runder, prägnanter Puls, dieses tieftönende bauchige rhythmische Wabern: Gleich zwei Kontrabässe bilden den Untergrund des Berliner Saxofonisten Peter Ehwald. Zusammen mit den beiden WDR Jazzpreisträgern Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel sowie dem wilden Dänen Andreas Lang geht Peter Ehwald auf die rasante Suche nach einer Verbindung von Songstruktur und kammermusikalischen Freiformen. Dabei bestechen die vier Musiker durch fesselnde ästhetische Stimmigkeit innerhalb ihres gemeinsamen Klangkörpers.

Peter Ehwald (sax), Robert Landfermann (b), Andreas Lang (b), Jonas Burgwinkel (dr)

Dasch2

Das Trio Dasch2 arbeitet in dieser Besetzung seit 2009 zusammen. Ihre Musik zählt zu den neueren Strömungen deutscher Jazz-Avantgarde, progressive Rockmusik und zeitgenössische E-Musik beeinflussen die Kompositionen. Es wird mit Experimentierfreude und verschrobener Selbstironie musiziert, wobei sich das Zusammenspiel von minutiös austariert bis hin zu kollektiv improvisiert erstreckt. Die direkte namentliche Anspielung an ein bekanntes Waschmittel ist durchaus gewollt, weshalb Dasch2 als passende stilistische Schublade gerne „hochwirksame Universalmusik“ vorschlagen.

Daniel Scholz (E-Gitarre & Loops), Daniel Schröder (Bassklarinette, Kontrabassklarinette & Loops), Jonas Pirzer (Schlagzeug, Melodika)

Gut e.V., Königsworther Straße 12 | Eintritt 15€, erm. 8€


11.11.2012 ab 20 Uhr: Fette Hupe Hannover feat. Kalle Kalima

Wenn eine Bigband diesen Namen verdient hat, dann diese: Der Zusammenschluss hannoverscher Aktivkräfte des modernen Jazz unter der Leitung von Timo Warnecke und Jörn Marcussen-Wulff spielt allerfetteste Arrangements, hupt großartige Soli und hat genauso viel Charme und Witz, wie es der Bandname verspricht. Seit ihrer Gründung im Juni 2009 hat sich die Fette Hupe Hannover zweifelsohne zu einer „der umtriebigsten und beliebtesten Bigbands der norddeutschen Jazzlandschaft“ (Fachmagazin Sonic 02/2012) entwickelt.
Zur Jazzwoche erklingt die Musik des finnischen Gitarristen Kalle Kalima, der in seiner Musik Elemente von Jazz und Rock auf interessante Art und Weise verbindet. Ausschlaggebend ist auf jeden Fall eine gehörige Portion Verrücktheit - finnische Kreativität eben, mit der der in Berlin lebende Gitarrist u.a. den „neuen deutschen Jazzpreis 2008“ mit seinem Trio „Klima Kalima“ gewinnen konnte. In der letzten Zeit arbeitete Kalle Kalima mehrfach mit der NDR Bigband zusammen, für die er die „Quentin Tarantino Suite“ komponierte.

Diese und andere Musik des finnischen Ausnahmemusikers präsentiert die Fette Hupe an diesem Abend. Dabei vernachlässigt sie auch nicht ihre Wurzeln, die in Form von Klassikern der Bigbandliteratur im ersten Set erklingen werden.

Leitung: Jörn Marcussen-Wulff
Trompeten: Benjamin Brown, Philipp Kacza, Daniel Zeinoun, Johannes Roosen-Runge
Posaunen: Sebastian „Johny“ Johnson, Uli Dobner, Georg Weisbrodt, Jan Schreiner
Saxofone: Nils Brederlow, Paul Engelmann, Felix Petry, Coco Guerra, Christopher Spintge
Rhythmusgr.: Kalle Kalima (git), Klaus Spencker (git), Eike Wulfmeier (p), Michael Gudenkauf (b), Timo Warnecke (dr)

Faust Warenannahme, Zur Bettfedernfabrik 3 | Eintritt 15€, erm. 10€


Mo 5.11 bis Sa 10.11 (außer Do 8.11) ab 22 Uhr: After Hour Lounge

Eine neue Idee im Programm der Jazzwoche ist die After Hour Lounge im Bronco's am Schwarzen Bär in Linden Mitte. Damit schafft die JMI einen zentralen Treffpunkt für Musiker und Festivalbesucher in dem Stadtteil, der sich nicht nur durch eine lebendige Club- und Kneipenszene auszeichnet, sondern auch etliche Konzertplätze der Woche in unmittelbarer Nähe hat (Jazzclub, GUT, Warenannahme, Kulturpalast).

Nach den Konzerten gibt es jetzt einen Platz mit passendem Ambiente zum Treffen, Reden, Entspannen und natürlich zum Hören und Musikmachen. DJs und ein Bandstand für Sessions werden dazu beitragen.

Bronco's, Schwarzer Bär 7 | Eintritt frei


Weitere Informationen zur Jazzwoche und der Jazzmusikerinitiative gibt es auf
www.jmi-hannover.de

 

Über den Autor


Jörn Marcussen-Wulff unterrichtet seit 2009 an der HMTMH Ensembleleitung und Posaune, außerdem leitet er die Studiobigband. Mehr Infos über ihn gibt es auf seiner Homepage.

veröffentlicht im November 2012

Zuletzt bearbeitet: 18.04.2013

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